Sensorineurale Taubheit - Forschungsresultate

In letzter Zeit hören wir immer wieder von Fortschritten im Bereich der Molekulargenetik. Ein erfreuliches Beispiel kennen wir alle, es ist der DNA-Test für die prcd-PRA. Während Jahrzehnten war es auch seriösen Züchtern nicht gelungen, diese - nur durch ein einzelnes (autosomal rezessives) Gen verursachte - Krankheit in den Griff zu bekommen. Erst der Optigen-Test machte es möglich...

Aber wie sieht es mit unserem anderen Problem aus, der sensorineuralen Taubheit?

Wird es schon bald einen Test dafür geben?

Um die Quintessenz vorweg zu nehmen: NEIN, leider nicht!
Die Vererbung scheint sichtlich komplexer zu sein, als diejenige der PRA.

Hier finden Sie die neusten Interviews mit den Professoren André Jaggy (AJ), Uni Bern, und George M. Strain (GMS), Louisiana State University.

Im Jahre 2006 wurden die Farbgene "Piebald" und "Merle" identifiziert. Kann man nun erklären welchen Einfluss diese Farbgene auf die Taubheit haben?
GMS: Nein, das weiss bis jetzt niemand.

Wie ist der momentane Wissensstand in der Molekular-Genetik? Sind mehr als ein Gen für die Taubheit verantwortlich?
GMS: Obwohl die Farbgene "Piebald" und "Merle" identifiziert sind, wissen wir nicht ob ein Defekt in diesen Genen oder ein anderes Gen die Taubheit bewirkt.

AJ: Es ist mehr als ein Gen involviert
.

Professor Strain, Sie haben im Jahr 2004 in den USA einige ACD auf Taubheit untersucht. Wie sehen Ihre Ergebnisse aus?

GMS:

Getestete ACD: 296

Unilateral taub: 36 oder 12,2%

Taub: 7 oder 2,3%


Professor Strain, haben Sie einen Unterschied zwischen den Farben bemerkt?

GMS: Wir haben Blaue, Blaue mit Loh sowie Rote getestet und keinen Unterschied fest gestellt.

Professor Strain, haben Sie festgestellt ob weniger Hunde mit dunkleren Kopfmarkierungen taub sind? Und wie sieht es aus mit Körperflecken?

GMS: Nein, auf diese äusseren Farb-Merkmale sind wir nicht eingegangen.

Haben Sie ACD-Familien analysiert? Denken Sie, dass die Taubheit in gewissen Linien vermehrt auftritt?

GMS: Nein, ich habe keine ACD-Familien untersucht. Sollte es in Linien mehr Taubheit geben, kann es sein, dass diese Hunde vermehrt diese Gene tragen.

AJ: Bei Dalmatinern konnten wir ein vermehrtes Auftreten in gewissen Linien feststellen.


Was halten Sie von der Theorie, dass es nur ein Zufall ist (oder Pech) ob es die migrierenden Farbzellen bis zur Cochlea (Innenohr) schaffen?

GMS: Ja, Pigmentzellen (Melanozyten) wandern von der Neuralleiste des Embryo in Richtung zukünftiges Ohr. Das Piebald-Gen schafft es irgendwie, diese Zellen zu unterdrücken, aber wir wissen nicht wie.

AJ: Kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden.


Professor Jaggy, die Uni Bern beschäftigt sich mit der sensorineuralen Taubheit.

AJ: Ja, es läuft eine Genome-Scan-Studie mit Dalmatiner-Hunden seit 1998.

Und was ist mit dem ACD?

AJ: Seit 2001 sammeln wir Blut von allen in Bern mit der BAER-Methode getesteten Cattle Dogs. Wir lagern die Blutproben kostenlos ein. Im Moment können wir Ihnen aber nicht versprechen, dass wir tatsächlich ein molekulargenetisches Forschungsprojekt beim ACD beginnen, da wir dafür zusätzliche Gelder benötigen würden.

Wir sammeln auch gerne Proben von betroffenen Hunden aus dem Ausland und bewahren sie hier auf.

Professor Jaggy, im Jahre 2006 sind die Farbgene "Piebald" und "Merle" identifiziert worden. Kann nun erklärt werden, warum Hunde mit diesen Farbgenen öfter Probleme haben, als Rassen mit anderen Farben?

AJ: Professor Tosso Leeb vom genetischen Institut beantwortet diese Frage:
Meines Wissens ist nur "Merle" aufgeklärt worden. Es gibt Studien bei Mausmutanten die zeigen, dass Melanozyten (Pigmentzellen) in der Cochlea für das Ueberleben von sensorischen Zellen nötig sind.

Professor Jaggi, haben Sie bei ihren Taubheits-Studien äussere Fellmerkmale (Kopfabzeichen, Körperflecken) notiert?

AJ: Nein, das sollte aber zukünftig gemacht werden.

Welche Empfehlung können Sie den Züchtern geben?

AJ: Nicht mit tauben Hunden züchten.
GMS: Nicht mit tauben und halbtauben Hunden züchten.

In welchem Alter können Welpen getestet werden:
GMS: Ab der 5. Woche.
AJ: Ab der 5. Woche.



Bei keiner ACD-Taubheitsstudie sind äussere Merkmale wie die Körperflecken analysiert worden!


Erkenntnisse aus bisherigen Studien

Laut Professor Strain sind mehr als 80 Hunderassen von der sensorineuralen Taubheit betroffen, und die meisten davon sind stark weiss pigmentiert (Scheckungs-Gen: "sp" Piebald oder "sw" extrem Weiss).
Ausser dem Merle-Gen (das im ACD nicht vorkommt) scheinen die anderen Farb-Gene keinen Einfluss auf die Taubheit zu haben.

Beim ACD gibt es keinen Unterschied bei den zwei Farbvarianten und dem Geschlecht.
Die Pigmentation der Augenlider hat keinen Einfluss auf die Taubheit.

Interessant ist, dass Dalmatiner mit blauen Augen vermehrt von der Taubheit betroffen sind.
Dalmatiner mit Platten (grössere Flecken, sichtbar bei der Geburt) sind weniger oft taub. Man nimmt an, dass bei diesen Hunden die Ausprägung des Weiss-Scheck-Gens weniger stark ist.
Früher waren Platten bei Dalmatiner ein Grund zum Zuchtausschluss (Standard).

Interessanterweise gibt FCI aufgrund dieser Erkenntnis folgende Empfehlung ab:

Um die Häufigkeit der Taubheit beim Dalmatiner (20-30%) herabzusetzensollten beidseitig taube Dalmatiner sowie blauäugige Dalmatiner von der Zucht ausgeschlossen werden; im Idealfall einseitig taube Hunde desgleichen.

Hunde mit Monokel (periokuläre Platte) oder Platten anderswo sollten zur Zucht zugelassen werden.

Hunde mit pigmentiertem Hodensack sollten bevorzugt werden.



Die FCI empfiehlt als "Taubheits-Prävention" beim
Dalmatiner, Hunde mit Platten (grossen Flecken) zur Zucht zuzulassen...


Leider sind beim ACD Körperflecken laut Standard nicht erwünscht.


Was bedeutet das für den ACD?

Leider gibt es für die sensorineurale Taubheit keine neuen molekulargenetischen Erkenntnisse.
Obwohl man die Angaben einer Rasse nicht direkt auf eine andere übertragen kann, interessiert uns die Hypothese:
Haben ACD mit Körperflecken wohl auch eine schwächere Ausprägung des Scheckungs-Gens, so wie die Dalmatiner? Könnten Körperflecken einen positiven Einfluss auf das Hörvermögen haben?
Leider konnte uns niemand diese Fragen beantworten..

Viele Züchter halten sich sehr bedeckt und geben nicht gerne Auskunft. Dazu kommt, dass die Nachzucht nur in Ausnahmefällen getestet wird, und so viele einseitig hörende Welpen nicht erkannt werden.

Von drei erfahrenen Züchtern haben wir die Antwort bekommen, dass Taubheit in ihren Augen ein reiner Zufall sei. Bei Wurfwiederholungen oder engen Linien-Kreuzungen seien nicht mehr Taube mehr geboren worden.

Und dann gibt es wie überall die Ausnahme von der Regel, wie der stark pigmentierte Dalmi mit dem grossen Monokel und den Platten, der stocktaub war (getestet von Collette Williams, UC Davis).



Eva Holderegger Walser und Monika Hirschi
publiziert im ACD-Brief des ACDCD, Ausgabe Juni 2007



Ich sammle Daten...

Bitte lassen sie mich wissen, wenn sie einen ACD mit Körperflecken und Hörproblemen kennen!

Danke
eva@cattledog.ch


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© Eva Holderegger Walser